Der heute Tag fing mehr als bescheiden an. Ich war gestern viel zu lange wach und habe ganze 45 Minuten verschlafen. Mit Mühe und Not war ich noch rechtzeitig im Büro, wo riesige Berge von Arbeit auf mich warteten. Den ganzen Vormittag war ich saumüde, hatte Kopfschmerzen und war vollkommen unmotiviert. Am Nachmittag ging es dann, nach einer Fritzkola und was zu essen, etwas besser. Trotzdem war ich ziemlich in Sorge, weil meine Migränetabletten ausgegangen waren und ich das Rezept noch nicht eingelöst hatte (und meine Apotheke, die die für mich immer da hat, schon zuhaben würde, wenn ich heimkomme). Als Highlight des Arbeitstages kreuzte dann noch meine ehemalige Kollegin auf, die bei meinem einen Chef noch ein Mandat hat und Unterlagen abholen wollte. Dazu muss man sagen, dass diese Frau zu den Menschen zählt, denen ich nie mehr über den Weg laufen möchte. Sie hat in den 4 Jahren, in denen wir gemeinsam da gearbeitet haben, ihr Möglichstes getan, mir das Arbeitsleben zur Hölle zu machen. Naja, am Ende war sie dann nur kurz da und ich hab sie auch gar nicht zu Gesicht bekommen.
Jedenfalls war ich echt scheiße drauf. Für morgen abend stand eigentlich ein Essen an (die Burns Night im Trific). Als ich den Tisch bestellte, hatte ich echt Lust dazu, heute schien es mir ein grauenhafter Gedanke zu sein, morgen abend irgendwo anders hin zu gehen als nach Hause auf meine Couch. Also hab ich den Tisch wieder abbestellt. Inzwischen ärgere ich mich fast ein bisschen, aber vermutlich ist es besser so. Im Moment bin ich echt nicht kontaktfreudig. Nach der Arbeit stand dann erst ein Massagetermin und dann noch ein Treffen mit meinem neuen Lehrer an. Ergo: Stundenlang durch Hamburg gondeln. Irgendwann saß ich in der Bahn, total müde und kaputt und genervt und überhaupt. Schräg gegenüber unterhielten sich zwei Mädels über künstliche Fingernägel (und das mit einer Ausdauer und einem Elan…scheint ne Wissenschaft für sich zu sein). Mir gegenüber saß eine junge Frau, der es auch nicht so gut zu gehen schien. Sie war dünn, hatte Augenringe, ziemlich zerzauste Haare und kaute auf ihren Fingern herum. Ich hätte gern irgendwas Aufmunterndes zu ihr gesagt, aber ich wusste nicht, was. Also hab ich sie nur freundlich angelächelt und sie lächelte auch zurück.
Und seltsamerweise wurde der Tag ab diesem Moment schlagartig besser.
Ich kam zur Massage, dort war mein Termin irgendwie nicht im PC eingetragen, aber die Masseurin hat mich trotzdem noch dazwischengeschoben. War auch wieder echt gut. Danach ging ich zurück zur U-Bahn und sah unten am Bahnhof einen Dönerladen mit nem Schild davor, es gebe hier (laut der Abstimmung der Zeitung mit den vier Buchstaben, aber immerhin…) den „besten Döner Hamburgs“. Und was soll ich sagen, im Dienste der Wissenschaft musste das natürlich getestet werden und er war wirklich sehr lecker. Danach bin ich auf den Bahnsteig, ein älterer Herr fragte mich, welche Bahn er nach Schlump nehmen muss, was ich ihm erklärte, er bedankte sich freundlich. In der Bahn selber dann eine sehr witzige Situation: Mir gegenüber saß ein jüngerer Typ mit einem E-Book-Reader, auf den anderen beiden Plätzen des Vierersitzes saß ein etwas älteres Ehepaar, die sich angeregt über „Verachtung“, das neue Buch von Adler-Olsen unterhielten. Plötzlich schaut der lesende Typ hoch: „Bitte reden Sie nicht weiter, ich les das hier gerade und will nicht wissen, wie es ausgeht.“ Großes Gelächter. Die drei reden darüber, wie gut das Buch doch ist. Ich mische mich mit einem „Ich lese es übrigens noch nicht“ ins Gespräch ein und alle drei legen es mir ans Herz und diskutieren darüber, ob man die anderen Bände der Reihe vorher lesen sollte oder nicht. Mittendrin kommen noch 2 Musiker durch den Waggon, die bezeichnenderweise „Always look on the bright side of life“ singen/auf der Gitarre spielen. Für 2 Minuten habe ich das seltsame Gefühl, auf einer Party mit Livemusik zu sein und mich gerade gut mit den anderen Gästen zu unterhalten. Dann muss ich aussteigen, die anderen 3 Leute verabschieden sich freundlich.
Da ich noch etwas Zeit hatte, ging ich noch zu einer Apotheke und fragte dort nach, ob sie zufällig meine Medikamente vorrätig hätten. Ich rechnete eigentlich nicht damit, denn die müssen eigentlich immer bestellt werden. Aber, oh Wunder: Sie hatten. Das Problem war also auch gelöst. Und zu guter Letzt stellte sich heraus, dass ich doch erst ab März beim neuen Lehrer anfangen kann, was mir sehr in den Kram passt, weil ich sonst den Februar doppelt zahlen müsste.
Dann fuhr ich, höchst verwundert bis verzückt, nach Hause. Das Leben ist manchmal wirklich seltsam. Seltsam, aber schön.