Heute will ich es nach dem Rumjammern und Fangirlen mal wieder mit nem Post über das Thema Rollenspiel versuchen. Passenderweise hab ich ja noch nichts zum RSP-Karneval geschrieben. Thema diesen Monat ist „Charaktere, Figuren und Charakterentwicklung“. Ein sehr weites und sehr interessantes Feld. Gar nicht so einfach, sich da ein konkretes Thema auszusuchen.
Es gab auch schon viele interessante Beiträge (einfach mal oben auf den Link klicken und die verlinkten Beiträge anschauen). Sehr spannend fand ich den Post von Tagschatten (der Blog ist überhaupt sehr interessant und lesenswert!) und auch die 2 konträren Meinungen der Teilzeithelden (ebenfalls spannender Blog).
So. Ich dachte mir, ich schreib mal ein bisschen was zum Thema des eigenen Charakters. Damit kenn ich mich im Zweifel auch besser aus als mit NSCs, so oft meistere ich ja nicht 😉
Wir kennen es ja sicherlich alle: Der neue Charakter wurde ersonnen, erstellt, mit Werten ausgestattet, vielleicht noch mit dem SL besprochen, evtl. auch mit Bildern oder eine Hintergrundgeschichte versehen. Und dann naht endlich der erste Spielabend, an dem man den „Neuen“ spielen kann.
Dieser erste Abend kann – zumindest ist das bei mir so- sehr unterschiedlich enden. Manchmal kommt man nach Hause und ist von dem Helden total begeistert, manchmal denkt man sich, „naja, hätte besser laufen können“ und manchmal fragt man sich, wieso man je die bescheuerte Idee hatte, so eine Figur spielen zu wollen… 😉
Woran liegt das? Wieso schlüpft man in einige Rollen so leicht, als würde man den Helden schon seit Jahren spielen, während andere auch am 5. Abend sich einfach noch nicht „richtig“ anfühlen?
Ich denke, dass es mehrere Faktoren gibt, die einem das Spielen des Charakters vereinfachen oder erschweren.
Zum einen ist natürlich die Frage, wie ähnlich der Held einem selbst ist. Ich denke, dass man sich zumindest am Anfang leichter in eine Rolle hineinfinden kann, die zumindest gewisse Ähnlichkeit mit der eigenen Persönlichkeit hat. Ich zum Beispiel neige auch im wirklichen Leben sehr dazu, ständig ironische Bemerkungen oder irgendwelche Scherze zu machen, insofern fällt mir das dann auch leicht, wenn ein Charakter in dieser Richtung angelegt ist.
Nun könnte man zwar einfach beschließen, nur noch Charaktere zu spielen, die einem selbst ähnlich sind, aber letzten Endes ist das für mich keine Lösung – ich spiele ja schließlich Rollenspiel, um eine (andere) Rolle einzunehmen, nicht, um mich selber zu spielen.
Der nächste Faktor ist meiner Meinung nach: Wie groß ist auch der körperliche Unterschied zwischen Held und Spieler? Es ist ja eine Sache, einen Menschen zu spielen, der einfach nur in einem anderen Umfeld steckt, also z. B. in einer Fantasywelt. Eine Figur zu spielen, die einer gänzlich anderen Rasse angehört, bietet natürlich gnaz andere Möglichkeiten, unterscheidet sich aber auch so sehr von einem selbst, dass man viele Dinge beachten muss. Ich hab mal einen Goblin gespielt und die Tatsache, dass ich die ganze Zeit bedenken musste, dass ich nur 1,20 m groß bin, im Dunkeln sehen kann, Fell habe und klettern kann wie ein Affe, hat mich ziemlich irritiert.
Hier gilt natürlich ebenso: Je größer der Unterschied zum Spieler ist, desto schwerer fällt es vielleicht auch, sich in die Figur hineinzuversetzen. Zumindest kann ich mir vorstellen, dass es leichter fällt, einen Zwergen zu spielen als z. B. einen Risso (das ist so ein Echsenwesen mit Kiemen und Schwimmhäuten und so 😉 ). Und auch hier würde ich sagen, dass es natürlich grade Spaß machen kann, eine derart fremdartige Kreatur darzustellen.
Natürlich hängt der Spaß am eigenen Helden auch davon ab, wie gut er in die Gruppe und das Abenteuer passt. Ich habe z. B. mal einen Schamanen gebaut, der in einer Gruppe gespielt wurde, die urprünglich aus 2 weiteren Gjalskern, einem Fjarninger und einem weiteren profanenen Charakter bestehen sollte. Da wäre er dann der einzige magisch Begabte gewesen und hätte sicherlich gut allen was von den Geistern und den Ahnen und so erzählen können. Der erste Spielabend kam und zwei der Spieler hatten sich umentschieden, so dass der Schamane dann auf einmal in einer Gruppe mit einem Firnelfen und einem Andergaster Kampfmagier war. Da ging er als Halbzauberer mit seinen wenigen Ritualen natürlich total unter. Den Helden hab ich dann auch nur drei Abende lang gespielt.
Bei meinem Magier hatte ich das Problem, dass sein allererstes Abenteuer an einem Ort spielte, wo die ganze Stadt unter Magiebann liegt (also im Sinne von „ich KANN nicht zaubern, nicht „ich sollte nicht zaubern 😉 ). Ich glaube, so hat er sich gleich im ersten Abenteuer den Spitznamen „Corvinus der Nutzlose“ erworben. Allerdings habe ich – auch wenn ich nach dem ersten Abend nicht sehr zufrieden war – den Charakter trotzdem weitergespielt und inzwischen ist er … etwas weniger nutzlos.
Es gibt natürlich noch andere Dinge, die einem das Spielen erschweren können (vielleicht hat man beim Erstellen eine Regel falsch oder gar nicht beachtet, vielleicht ist man an dem Tag einfach schlecht drauf, etc.), aber ich denke mal, man weiß, worauf ich hinauswill. Von den oben genannten Punkten können einige schon durch gute Vorbereitung behoben werden. Wenn vorher die Gruppenzusammensetzung und die Art des Abenteuers mit dem SL abgeklärt werden, kann man unliebsame Überraschungen in dieser Hinsicht vermeiden.
Es gibt allerdings manchmal den Fall, dass der neue Charakter gut ins Abenteuer und zur Gruppe passt, das Spiel gut vorangeht und man hinterher trotzdem nicht zufrieden ist, weil es einem eben nicht oder nicht so gut gelungen ist, sich in den Charakter hineinzuversetzen. Woran das liegt, kann ich selber auch gar nicht immer sagen. Manchmal habe ich eine Figur total greifbar im Kopf, manchmal muss ich mich den ganzen Abend bemühen, irgendwie diese Figur zu spielen.
Was macht man also, um den Helden am ersten Abend ein bisschen besser zu verinnerlichen?
Ich selber hab da so einige Tricks. Vielleicht nützen sie ja irgendwem was.
1. Akkustik
Ich habe sehr oft ein Lied (oder mehrere), die irgendwie von der Stimmung und vom Text her zu einem Charakter passt. Das hör ich oft auf der Fahrt zum DSA oder sogar kurz vor Anfang des Abenteuers. Bei meiner misanthropischen, dezent kriegstraumatisierten Agentin hab ich z. B. immer kurz vor Spielbeginn „Tentative“ von System of a down gehört. Das hat mich immer halbwegs in die richtige Stimmung versetzt.
2. Optik
Ich habe von fast allen Helden ein Bild auf dem Datenbogen, sei es eine Zeichnung, die mir jemand netterweise gemacht hat, ein irgendwo gefundenes Bild, das passt, oder auch sehr oft ein (bearbeitetes) Bild eines realen Menschen (Schauspieler, Sänger, etc.). Meistens schau ich mir das Bild vorher nochmal an und lese auch nochmal in der Ausrüstungsliste durch, was der Held denn so anhat und mit sich rumträgt.
Ich stelle mir dann meistens vor, wie der neue Charakter sozusagen seine erste „Szene“ hat und versuche diese deutlich vor meinem inneren Auge zu sehen. Also z. B. wenn der Held ganz klassisch am Anfang des Abenteuers das Gasthaus betritt: Wie sieht das aus? Was hat er an, was wäre der erste Eindruck, den man hat, wie guckt er, wo geht er als erstes hin…und so weiter.
Das versuche ich dann auch bei der ersten Beschreibung des Charakters so gut wie möglich rüberzubringen, damit das auch den anderen Spielern vermittelt wird.
3. Das Wichtige am Unwichtigen
Soll heißen: Mir persönlich hilft es sehr, wenn der Charakter nicht gleich zu Anfang in eine Szene geworfen wird, in der das Ausspielen des Charakters schlecht möglich ist (einen Kampf, eine Flucht oder dergleichen). Tatsächlich bin ich sogar ein Freund der klassischen „Wirtshausszene“ oder Anwerbungsszene zu Beginn des Abenteuers (allerdings nur, wenn es eine neue Gruppe ist oder mehrere neue Helden eingeführt werden). Das sind nämlich meistens Szenen, die ohne jegliche Würfel, Regeln und Planung auskommen und in denen man sich gut auf das Spielen des Helden konzentrieren kann. Oft merkt man dann auch schon, ob es gut läuft – wenn man z. B. ohne nachzudenken sofort weiß, ob der Held lieber Bier oder lieber Wein trinkt, ob er sich mit Eintopf begnügt oder lieber Braten will, wen der anderen Helden er mag und wen nicht und so weiter. Und wenn man dann erstmal „drin“ ist, bleibt das meistens auch den Abend lang so. Bei mir zumindest.
So. Das waren dann mal meine Gedanken zum Thema. Ich hoffe, es war für den ein oder anderen Leser interessant.