Warum Bauern und Zuckerbäcker auch Helden sein können

…oder auch: Wieso auch Heldengruppen aus „normalen  Menschen“ viel Spaß bringen.

Worum gehts hier eigentlich?

Um die Frage, ob auch das Spielen von „normalen Menschen“, die auf den ersten Blick wenig heldenhafte Züge haben, Spaß machen kann und wie das aussieht. Grund für den Artikel ist eine kurze Diskussion, die es im DAS4-Forum gab, gefolgt von der Bitte, man möge doch mal über solche Gruppen berichten.

Von Helden und Nichthelden

Wenn es um typische Helden fürs Rollenspiel geht, denken viele sicherlich – grade im Fantasybereich – erstmal an den ehrenhaften Krieger, den weisen Magier oder den gerissenen Dieb. Auch neben diesen klassischen Heldenfiguren gibt es natürlich weitere, die für das Abenteuerleben geradezu geschaffen sind: Den reisenden Geweihten, den Söldner auf der Suche nach dem nächsten Auftrag, die Hexe, die aus ihrer Heimat fliehen musste…und so weiter.

Ich wage mal zu behaupten, dass die meisten Spieler und Spielgruppen zunächst mit diesen Heldentypen anfangen. Es liegt ja auch nahe, dass man sich erstmal etwas aussucht, was gut zu einer Fantasygeschichte passt.

Irgendwann ist es aber doch soweit, dass man sich überlegt, ob man nicht auch noch andere Figuren spielen und von der typischen Gruppenkonstellation Krieger-Magier-Streuner wegkommen kann. Dafür gibt’s nun diverse Möglichkeiten, von der Themengruppe über die „bösen“ Helden bis hin zu den „Normalos“, über die ich heute schreiben will.

Die Definition, wo ein „Normalo“ aufhört und der typische Held anfängt, ist sicherlich nicht einfach. Jedoch kann man durchaus sagen, dass ein Krieger, der extra auf einer Akademie geschult wurde, der Magier, der die seltene Gabe der Magie hat oder ein Geweihter, der die Macht seiner Gottheit nutzen kann, aus der normalen Bevölkerung herausragen. Solche Helden fallen also für die gewünschte Gruppe schon mal raus. Es gibt natürlich viele Professionen, die sich für den „Normalo“ eignen, z. B. Koch, Schmied, Bauer, Seemann, etc. Aber natürlich kann man auch aus der Profession Matrose etwas machen, das eher dem typischen Heldenbild entspricht.

Wie sieht so eine Gruppe denn nun aus?

Das kann natürlich sehr unterschiedlich sein. Es ist allerdings so, dass es bei einer so untypischen Heldenauswahl einfacher ist, wenn es etwas gibt, das die Helden verbindet. Vermutlich wird es nämlich nicht die typische „In der Kneipe spricht euch eine mysteriöse Person an“-Anwerbung geben. Irgendwie müssen die Helden sich also kennenlernen. Es bietet sich daher meistens an, dass es etwas gibt, was die Helden verbindet. In meiner einen „Normalo“-Gruppe sind alle Helden  z. B. Teil einer Schiffsbesatzung. In der anderen Runde sind es alles Handwerker. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es auch Gruppen geben kann, in denen die Helden alle aus einem Dorf oder der selben Straße einer Stadt kommen, oder oder oder. Natürlich kann man auch solche Gruppen durch eine Anwerbung zusammenführen.

Typisch für die Gruppe ist es meistens, dass es sich auf den ersten Blick um gewöhnliche Leute handelt, denen man Heldentaten nicht unbedingt zutraut. Es bietet sich daher meistens an, dass man keinen ausgebildeten Kämpfer oder eine Zauberer dabei hat.

Um die Beispiele zu nennen, an denen ich selbst beteiligt bin: Die Helden der Schiffsbesatzung bestehen aus 2 Matrosen, einem Koch und einem goblinischen Rattenfänger. Die Handwerkergruppe setzt sich aus einem Bauern, einem Uhrmacher, einem Schmied und einem Schneider zusammen.

Und was kann man mit solchen Helden anfangen?

Kurz gesagt: Eine ganze Menge. In der oben genannten Diskussion war einer der Kritikpunkte, dass man mit solchen Leuten ja nur das alltägliche Leben spielen und keine Abenteuer erleben kann. Kann man natürlich, muss man aber nicht. Denn die Helden sind ja immer noch ebensolche, also im Zweifel doch diejenigen, die sich einmischen, wenn Not am Mann ist. Natürlich muss man schauen, welche Abenteuer man mit diesen Helden spielen kann. Die epische „Wir retten die Welt“-Kampagne fällt wohl eher aus, ebenso wie die meisten Sachen, die sehr auf Kampfkraft setzen oder unbedingt einen oder mehrere Magier benötigen.

Das heißt aber nicht, dass die Helden keine Abenteuer erleben werden. Die oben genannte Handwerkergruppe hat z. B. schon einen Mörder, der in einem Dorf umging, zur Strecke gebracht, ein finsteres Familiengeheimnis aufgedeckt, eine unheimliche alte Mine erforscht, den Tod eines Mädchens aufgeklärt und dergleichen mehr. Die Seefahrergruppe erlebt regelmäßig Abenteuer auf ihrem Schiff, zuletzt haben sie nicht nur das Orakel von Sylla besucht, mit Mohas Kontakt aufgenommen und eine Reise durch den Dschungel gemeistert, sondern auch noch zwei Vampire zur Strecke gebracht.

Klingt doch fast nach normalen Abenteuern, oder?

Wichtig ist meistens, dass die Helden nicht offensichtlich in ein gefährliches Abenteuer hineingeschickt werden, sondern in die Geschichte verwickelt werden. Das funktioniert z. B. sehr gut, wenn sie auf einem Schiff sind, dass dann in eine bedrohliche Situation gerät. Bei den Handwerkern klappt es auch sehr gut, weil sie sich momentan in einem kleinen Kaff im Windhag aufhalten und dort den da lebenden Fischern und Bauern doch noch in Mut und Ideenreichtum überlegen sind.

Die beiden SL, die die oben genannten Gruppen leiten, geben sich auch immer viel Mühe mit den Abenteuern und schreiben sie meistens extra für diese Heldengruppe. Ich denke aber auch, dass es möglich ist, offizielle Abenteuer anzupassen.

Übrigens macht es zumindest mir auch durchaus Spaß, ein Abenteuer nicht auf die typische Art lösen können. Wenn man z. B. eben niemanden dabeihat, der einen magischen Ring untersuchen kann oder den Feind in einem Streich zu Boden haut, geht man an viele Sachen ganz anders heran.

Aber spätestens ab Stufe X hat sich das doch erledigt…

Natürlich kriegen auch diese Helden Abenteuerpunkte und natürlich werden sie auch besser. Sollen sie ja auch. Klar steigen damit auch die „abenteuertypischen“ Talente, denn wenn man grade ein Detektivabenteuer hinter sich hat, wird auch ein Handwerker oder Matrose mal ein wenig in Menschenkenntnis und  Überreden dazugelernt haben.

Dankenswerterweise haben aber die beiden SL bisher immer drauf geachtet, dass es auch immer wieder Situationen gab, in denen die Sachen, die die Helden eigentlich gelernt haben (wie Kochen, Seefahrt, Feinmechanik, Grobschmied, etc.), wichtig waren.

Leider kann ich noch nicht sagen, wie sich die Helden in wirklich hohen Stufen entwickeln werden, denn so weit sind sie bisher noch nicht. Allerdings geben wir in den Runden auch recht wenig AP, so dass der Anstieg nicht allzu schnell vorangeht.

Und ja, theoretisch ist es auch möglich, dass ein Spieler mit seinem Matrosen eben nicht Seefahrt, Sternkunde, Schwimmen und Bootefahren steigert, sondern stattdessen ein Kampftalent hochsteigert, diverse SF dazu kauft, Sinnesschärfe und Selbstbeherrschung steigert und irgendwann ein toller Kämpfer und ein schlechter Seefahrer ist. Aber dann, würde ich sagen, hat er das Prinzip der Heldengruppe einfach nicht verstanden 😉

Und das macht Spaß?

Macht es. Mir zumindest. Und immerhin den anderen 4 Spielern, die an den beiden Runden beteiligt sind. Wie ich oben schon schrieb: Das Abenteuer nimmt meist einen anderen Verlauf als bei typischen Heldengruppen und man sucht nach ganz anderen Wegen, eine Lösung zu finden.

Für den SL ist es meist auch leichter, eine gefährliche Situation einzubauen. Wo 2 Krieger, 1 Magier und ein Streuner in höheren Stufen schon einen mehrgehörnten Dämon brauchen, damit es brenzlig wird, reicht bei der Handwerkerrunde schon ein guter und ausgebildeter Kämpfer.

Und – zumindest für mich – bemisst sich die Heldenhaftigkeit nicht durch die Größe der Gefahr, die man bezwingt. Ob der erfahrene und schwer gerüstete Zwergenkrieger sich allein dem Drachen entgegenwirft oder der Matrose zitternd seinen Säbel hebt, um den Piratenkapitän abzuwehren, ist letztendlich gar nicht so entscheidend. Wichtig ist, dass man dort stehen bleibt, wo andere weichen würden. Das macht für mich Heldenmut aus. Und den findet man manchmal eben auch bei den Menschen, die auf den ersten Blick normal und unscheinbar wirken.

4 Kommentare

Eingeordnet unter DSA, Rollenspiel

4 Antworten zu “Warum Bauern und Zuckerbäcker auch Helden sein können

  1. Pingback: Bauergaming | Richtig Spielleiten!

  2. Hi,

    inspiriert durch deinen Beitrag und der daran anknüpfenden Debatte auf „Richtig Spielleiten“ habe ich mal in Erinnerungen an eine eigene Kampagne mit „normalen Menschen“ gekramt, die mir und allen Beteiligten sehr viel Spaß gemacht hat. http://grafhardimund.livejournal.com/58087.html

    Gruß
    Graf Hardimund

  3. Pingback: B steht für Bauergamer | Neue Abenteuer

  4. Bla755@mail.com

    Schöner Artikel 🙂 Bin ganz deiner Meinung, dass grade unkonventionelle Helden auch außergewöhnliches Rollenspiel ermöglichen. Finde es allerdings schwierig sobald sich Powergaming mit Roleplay vermischt. Hast du eine Anregung, wie sowohl der „Krieger“, als auch der „Matrosen“ in der Gruppe gleichermaßen auf seine Kosten kommt?

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